Zell am Neckar... ...mehr als nur ein Stadtteil von Esslingen
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Zwangseinweisungen von Flüchtlingen nach dem 2. Weltkrieg

Kleines Vorwort:
Nach dem 2. Weltkrieg wurden Millionen Deutscher, die aus dem Osten Deutschlands vertrieben worden sind, im verbliebenen deutschen Gebiet untergebracht / verteilt. Vorrangig kamen sie aus den Landschaften Ostpreußen, Pommern und Schlesien. Etwas später wurden Flüchtlinge aus dem Sudetenland aufgenommen. Die Verteilung auf die Besatzungsgebiete war sehr ungleich, sie dauerte mehrere Jahre. Unsere „Einweisung“ erfolgte nach einigen Zwischenaufenthalten im Rheinland. Man kann jedoch davon ausgehen, daß die Ereignisse überall ähnlich abliefen.

 

Nach Flucht und Vertreibung 1945 fanden sich meine Eltern mit Hilfe des Roten Kreuzes im heutigen Niedersachsen wieder. Die Verteilung der Flüchtlinge und Vertriebenen im „Restdeutschlands“ war sehr ungleich. Wir lebten sehr eingeschränkt, meine Eltern wollten ihre Situation verbessern und meldeten sich zur Umsiedlung ins Rheinland in die französische Besatzungszone, das bisher nur wenige Flüchtlinge aufgenommen hatte und wenn nur aus der eigenen Region.

 

Ich erinnere mich, dass bei uns das Thema, „ist es recht, daß wir eine zwangsenteignete Wohnung annehmen“, diskutiert wurde. Die Meinung meiner Eltern war: Wir haben alle den Krieg verloren. Doch wir, Flüchtlinge aus Pommern, haben alles hergeben müssen, deshalb ist es Recht, wenn wir an dem verbliebenen Besitz in irgendeiner Weise teilhaben. Diese Auffassung meiner Eltern steht im Widerspruch zur heute weit vertretenen Meinung, alle Flüchtlinge auch die heutigen aus anderen Ländern sind gleich den Nachkriegsflüchtlingen zu behandeln.

 

Meine Eltern mit ihren 4 Kindern, 15, 13, 11, und 9 Jahre alt, erlebten diese Zwangseinweisungs-Maßnahme 1950. Wir hatten keinen Einfluss auf den zugewiesenen Ort. Unser neues Zuhause wurde Langenscheid bei Diez an der Lahn. Langenscheid hatte etwa 650 Einwohner mit ca. 150 Haushalten. Diesem Ort wurden ca. 10 Familien zugeteilt. Ich glaube wir waren die größte dieser Gruppe. Erwähnen muss ich noch, daß schon etwa 10 weitere Familien, z.B. Ausgebombte und andere Kriegsgeschädigte, dort Unterkunft gefunden hatten.

 

Wer waren die „Glücklichen“, die uns aufnehmen mussten? : Eine Familie, 3 Frauen, 3 Generationen, 2 davon Leidtragende von tragischen Kriegsereignissen.

Einzelheiten: Die „Oma“, etwa 60 Jahre alt, ihr Mann war aus dem ersten Weltkrieg nicht zurückgekommen. Ihre Tochter, ca. 35 Jahre alt, ihr Verlobter war im 2.Weltkrieg gefallen, Hinzu kam deren Tochter, 10 Jahre alt. Sie hatten eine Doppelhaushälfte mit 5 kleinen Räumen und eine „Multifunktionsküche“.


Ihren Lebensunterhalt bezogen sie aus einer Landwirtschaft mit 2 Kühen, vielen Hühnern, großem Garten und etwa 10 verstreut liegenden kleinen Feldern. Sie mussten an uns 3 Zimmer abtreten. Eines der Zimmer richteten wir als Wohnküche ein. So blieben uns 2 Schlafzimmer. Eines für meine Eltern und eines für uns 4 Kinder. Die Enge war zu dieser Zeit nicht so ungewöhnlich. Es war halt so.

 

Doch sehr unangenehm, wurde es auch damals schon empfunden, kein eigenes Bett zu haben. Unsere Ankunft: Zu unserer geringen Habe bekamen wir von einer deutschen Behörde einen Küchenschrank, einen Tisch mit 4 Stühlen und einige Bettgestelle geschenkt.
Der Einzug war schnell geschehen. Wir wurden vorgestellt und belegten „unsere“ Räume. Die 3 Frauen hatten große Angst vor uns, wie sie später berichteten. Wir würden wohl ihr Eigentum nicht achten usw.

 

Eine der Schwierigkeiten war, es gab nur eine Toilette für alle. Und das im Hof. Es war eben ein Haus einer kleinen Bauernfamilie. Wir waren der Meinung, daß wir zu viele Personen in dem kleinen Haus seien. Und wir bemerkten selbst, das wir als große Familie in diesem Häuschen wohl etwas fehl am Platze waren. Die Lage verbesserte sich als mein Vater Arbeit in der nächsten Stadt fand und meine beiden älteren Brüder eine Lehrstelle antraten.


Ich erinnere mich an unseren Stolz als frühere Bauern. Wir hatten in Pommern 2 richtige Pferde gehabt. Eine Kuh vor einem landwirtschaftlichen Wagen hatten wir noch nie gesehen, das belustigte uns. Schon nach einem halben Jahr fanden wir im gleichen Ort eine angemessene kleine Wohnung.

 

Beim Auszug weinten unsere Vermieter. Wir wären eine große
Bereicherung in ihrem Leben gewesen.


Manfred Maaß
10.11.2019

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