Zell am Neckar... ...mehr als nur ein Stadtteil von Esslingen
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Der Bürgerkrieg in Syrien

 

Aufgeschrieben von Hans-Joachim Bosse nach einem Gespräch mit Ayman Jamal

 

Würde man in einem Roman etwas über die Flucht von Ayman Jamal (35 Jahre) von Aleppo nach Deutschland lesen, dann unterstellten sicher nicht wenig Leser dem Autor eine blühende Fantasie. Die Verhältnisse 2013 in Syrien und speziell in Aleppo sind uns allen aus den Bildern im Fernsehen bekannt. Vielerorts ist durch die Kämpfe zwischen Assads Truppen und den Gegnern seines Regime kein Stein mehr auf dem andern geblieben. Auch Ayman Jamals Wohnung und sein Auto wurden zerstört. Zum Leben in den Ruinen gehörte speziell für junge Leute die Furcht, als Soldat in Assads Armee dienen zu müssen.

 

Mit seinem Vater führte Ayman Jamal ein Geschäft mit Reparaturbetrieb für Haushaltsgeräte. Die Selbstständigkeit sicherte der Familie (Eltern und fünf Geschwister) ein gutes Leben. Seine Mutter schlug ihm vor, sich eine neue Existenz in der Türkei aufzubauen. Von Tartus ging es mit dem Schiff in die nahe Türkei. Zu Fuß und mit dem Taxi erreichte er seine Tante in Istanbul. Dort hielt er es aber nicht lange aus, denn die politischen Verhältnisse am Bosporus verhießen nichts Gutes. Wieder in Aleppo angekommen war es erneut seine Mutter die ihn unterstützte, Syrien zu verlassen. Ein weiteres Mal war die Tante in Istanbul Anlaufstation für seinen Weg nach Westeuropa. Ein Fluchthelfer kassierte 2000 Euro von jedem Gruppenmitglied für die Beförderung nach Griechenland.

 

Obwohl die Gruppe versuchte, sich möglichst unauffällig und im Schutze von Wäldern zu bewegen, wurde sie von der griechischen Polizei aufgegriffen, verhaftet und eingesperrt. Nachts um 1 Uhr erhielten sie ihre Pässe zurück und wurden in die Türkei abgeschoben. Ihr Geld und ihre Handys behielt die griechische Polizei. Wie zu erwarten, kam auch kein Geld vom Fluchthelfer zurück, nach dem seine Mission gescheitert war. Wieder in der Türkei, ging er erneut auf seine Tante in Istanbul zu, bevor er einen neuen Kontakt zu einem Fluchthelfer suchte. 2700 Euro wurden für die Fluchthilfe zur Stadt Edirne (Türkei) gefordert.

 

Nach stundenlangen Fußmärschen durch die Berge Mazedoniens mit nächtlichen Verstecken in den Wäldern und anschließenden Taxifahrten wurde Saloniki erreicht. Für eine Fluchthilfe nach Deutschland sollten erneut 2700 Euro gezahlt werden. Rund 100 Personen zogen drei Tage zu Fuß durch das Grenzgebirge nach Mazedonien. Ausgehungert, bekamen sie dort von einem Bauern Weintrauben zu essen. Auch hier wurde die Gruppe von der Polizei aufgegriffen und für mehrere Tage in ein Flüchtlings-Camp gebracht. Später ging es mit drei Autos in Richtung serbische Grenze. An der Grenze wurden alle von den Helfern in einem Haus eingesperrt und die Bezahlung der vollen Summe für die Fluchthilfe verlangt. Es wurde gedroht, dass man alle, die nicht zahlen, töten würde und man ihre Organe verkaufe. Über Belgrad führte die Route zur ungarischen Grenze, die mit einem Metallzaun gesichert war. Es gab aber ein Tor nach Ungarn, durch das pro Tag 20 Leute ins Land durften.

 

Durch den großen Andrang an diesem Grenztor betrug die Wartezeit drei bis vier Monate. Von einem Flüchtling, der sich zweimal eingetragen hatte kaufte sich Ayman Jamal für 800 Euro einen Passierschein der ihm einen schnelleren Grenzübertritt ermöglichte. In Ungarn taten sich neue Schwierigkeiten auf. Einzelne Asylbewerber mussten während ihres Asylverfahrens einen Monat in einem Camp verbringen. Da das Verfahren bei Familien zügiger ablief, ging Ayman Jamal eine Scheinehe mit einer Frau ein, die mit ihrem Kind auf dem Weg zu ihrem Mann in Deutschland war. Mit Frau und Kind erreichte er über Budapest und Österreich schließlich München, nicht ohne vorher weitere 2000 Euro bezahlt zu haben.

Keinen seiner verschiedenen Fluchthelfer hatte Ayman Jamal persönlich kennen gelernt. Alles lief per Telefon. Den direkten Kontakt zu den Flüchtlingen hatten Mittelsmänner, die den im Hintergrund agierenden Chef wohl auch nicht kannten. Der Weg von Syrien nach Deutschland war mit Hindernissen und Umwegen gespickt. Insgesamt wurde Ayman Jamal auf seiner Flucht von Aleppo nach Deutschland viele Male von der Polizei oder von Soldaten ausgebremst. Wenn man seine Geschichte mit allen Details gehört hat, wirkt sie wie bei einem Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel, bei dem man immer kurz vor dem Ziel von anderen Spielern wieder rausgeschmissen wird und von vorn beginnen muss. Und für Ayman Jamal dauerte dieses “Spiel“ rund 5 Monate. Ein Flugzeug braucht für diese Route etwas mehr als vier Stunden und ein Flug kostet deutlich weniger als die rund 15.000 Euro, die Ayman Jamal für seine Flucht zahlen musste. Aber den Weg durch die Luft gab es für ihn nicht.

 

 

Nach München waren seine Stationen Ansbach, Stuttgart, Ellwangen und von dort am 29.11.2017 Zell, wo er in der Unterkunft am Bahnhof eine vorläufige Bleibe fand. Deutschkurse bei der Volkshochschule bestimmen derzeit noch seinen Alltag. Die erste Stufe des Deutschkurses hat er mit Erfolg abgeschlossen und er bereitet sich jetzt auf die zweite Prüfung vor, die Voraussetzung für die Aufnahme einer Arbeit ist.

 

Sein Berufswunsch ist das Konditorhandwerk. Obwohl in den Handwerksberufen in Deutschland über fehlende Bewerber auf offene Stellen geklagt wird, ist seine Suche nach einer Lehrstelle noch ohne Erfolg geblieben. Er möchte so schnell wie möglich aus der Abhängigkeit vom Staat heraus und seinen Lebensunterhalt, wie früher in Syrien auch, selbst bestreiten und wieder ein selbstbestimmtes Leben führen. Eine solche Einstellung haben sicher nicht alle, die als Flüchtlinge in Deutschland eine Aufnahme gefunden haben. Weil ihm noch eine hauptamtliche Tätigkeit verwehrt ist, engagiert er sich ehrenamtlich. Er singt im Zeller Kirchenchor, hilft bei der Vesperkirche in Esslingen mit und beim Mittagstisch der evangelischen Kirche in Zell. Ebenso ist er tatkräftig bei Veranstaltungen im Gemeindesaal der katholischen Kirchengemeinde zu sehen. Nach eigenen Worten hat Ayman Jamal in Zell eine zweite Heimat gefunden.

 

Inzwischen bezeichnet er einige seiner Betreuer und Unterstützer als seine Familie.

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