Zell am Neckar... ...mehr als nur ein Stadtteil von Esslingen
Zell am Neckar......mehr als nur ein Stadtteil von Esslingen

Vom Tanzboden zur eigenen Turnhalle

Die ersten 20 Jahre seines Bestehens musste der Turnverein Zell von 1894 bis 1914 ohne richtige Turnhalle auskommen. Geturnt wurde in Sälen und Tanzböden von Gaststätten und zuletzt in der Kelter, die 1912 für den Neubau der Schule abgebrochen wurde.

 

Der Bau einer eigenen Turnhalle beschäftigte fortan die Mitgliederversammlungen des Vereins. Die treibende Kraft des Turnhallenbaus war Vorstand Wilhelm Hermann. Mit Eigenleistungen der Mitglieder beim Bau und dem Erwerb von unverzinslichen Anteilsscheinen wurde der Neubau finanziert. Die Gesamtsumme der Anteilsscheine betrug 2000 Mark. Das Grundstück stellte die Gemeinde über einen Erbbauvertrag dem Verein für 99 Jahre zur Verfügung.

 

Da für die neue Schule keine Turnhalle geplant war, sollte der Schulsport in der Vereinshalle stattfinden. Die Gemeinde zahlte für diese Nutzung jährlich 200
Mark an den Verein.

Einweihung der Turnhalle am 28. Juni 1914.

Der Spatenstich am 1. April 1914 war der Auftakt für den Neubau, der noch im gleichen Jahr am 28. Juni mit einem dreitägigen Fest eingeweiht wurde. Der mit Dielenbrettern und einem Kohleofen ausgestattete Turnraum war 9 Meter breit und 14 Meter lang. An der Ostseite waren eine Toilette und ein Umkleideraum angebaut. Mit der Turnhalle hatte Zell jetzt, neben dem Lindensaal, erstmals auch eine Versammlungsstätte für größere Feierlichkeiten.

Übungsstunde Ende der 1960er Jahre

Während des Ersten Weltkriegs ruhte der Übungsbetrieb im Turnverein Zell von 1914 bis 1919. Ab 1937 gibt es ebenfalls keinerlei Aufschriebe über Vereinsaktivitäten. Erst ab dem 8. Dezember 1945 regte sich das Vereinsleben wieder. Während des Zweiten Weltkriegs und die ersten Jahre danach wurde die Turnhalle anderweitig genutzt. Nach einer Grundreinigung durch die Mitglieder
und der Begasung durch den Desinfektor Zeile, konnte am 18. Januar 1946 der Übungsbetrieb in der Halle wieder aufgenommen werden.


In den Nachkriegsjahren sorgte in der kalten Jahreszeit ein Kohleofen, den Vorstand Gustav Neppach gestiftet hat, für etwas Wärme. Für die Kohlen sorgte Kohlenhändler Karl Heiß, ebenfalls ein langjähriges, aktives Mitglied im Turnverein. Die damaligen Übungsleiterinnen und Übungsleiter mussten rechtzeitig vor Beginn der Übungsstunden den Ofen anheizen, damit die Halle auf Temperatur kam. Erst danach widmeten sie sich dem Aufwärmen ihrer Turnerinnen und Turner.


1956 wurde in Eigenleistung an der Ostseite ein kleiner Versammlungsraum mit Küche angebaut. In Würdigung der vielen Verdienste um den Verein erhielt er den Namen seines Oberturnwarts und hieß künftig Wilhelm-Barth-Raum. Mehrere An- und Umbauten gab es 1967. Im Norden zum Schulhof hin, baute die Gemeinde Zell Umkleideräume, Toiletten, Wasch- und Dusch-räume, sowie zwei Lagerräume. Der Eingang zur Turnhalle erfolgte nun vom Schulhof her. Der Kohleofen verschwand und die Halle wurde an die Zentralheizung der Schule angeschlossen.


Damals entstand auch der Parkettboden. Letzter Anbau, ebenfalls in Eigenleistung, war 1980 der Geräteraum im Westen.

Der Wilhelm-Barth-Raum, Ort für gemütliche Stunden nach dem Sport oder auch ganz ohne Sport. Links: Wilhelm Barth, der Na- mensgeber für den Raum, dane- ben Kurt Barth. Rechts: Heinz Häfele, Robert Mäckle, Walter Klay

Anfangs der 1970er Jahre begannen die Überlegungen der noch selbstständigen Gemeinde Zell am Neckar für den Bau eines Kultur- und Freizeitzentrums, bestehend aus einer aufteilbaren Großsporthalle, einer Festhalle und eines Restaurants. Das größte Hochbauvorhaben der Gemeinde Zell am Neckar erhielt den Namen “Zentrum Zell“. Die neue Sporthalle, die am 29.01.1977 im Neckartal eröffnet wurde, bescherte dem Turnverein Zell zahlreiche neue Mitglieder. Die Festhalle und das Restaurant wurden aus wirtschaftlichen Gründen 2015 wieder abgerissen. 1980 wurde die Sporthalle beim Berufsschulzentrum fertiggestellt. Nach ihrer zweimaligen Funktion als Notunterkunft für Geflüchtete (1990 und 2015) wurde sie abgerissen und durch eine neue Halle ersetzt, die ab 2019 wieder für den Vereinssport genutzt werden konnte. Zusammen mit dem ebenfalls neuen Sportstadion im Neckartal verfügt Zell über ideale Voraussetzungen für den Breiten- und Leistungssport.

Neben dem Übungsbetrieb und dem Schulsport, diente die Halle für Vereinsfeiern, Ausstellungen, Tanzveranstaltungen, größeren runden Geburtstagsfeiern von Vereinsmitgliedern, und entsprechend dekoriert, auch für Faschingsfeiern.

 

Am 31.12.2016 endete der Erbpachtvertrag, der zuvor um zwei Jahre verlängert wurde. Die Halle ging damit in das Eigentum der Stadt Esslingen über. Sie durfte aber vom Turnverein weiterhin für den Übungsbetrieb genutzt werden.

Der Motor des Turnhallenbaus 1914 war der damalige Vorstand des Turnvereins Wilhelm Hermann. Er wurde am 11. November 1950 zu Grabe getragen. Vom Trauerhaus wurde der Verstorbene von acht Turnern im Turndress getragen. Vor der Turnhalle wurde der Sarg abgestellt und Vorstand Gustav Neppach sprach die Worte: „Nun Wilhelm Hermann nimm Abschied von deinem Werk“.


2020 musste der Turnverein von seiner Turnhalle nach 106 Jahren Abschied nehmen. Sie wurde Bauplatz für das neue Schulgebäude mit integrierter Sporthalle.

 

Der 1958 eingeweihte Bauteil der Zeller Schule wies durch den problematischen Baugrund erhebliche Setzungsrisse auf, was zu einem Abbruch dieses Schulteils führte. Setzungsrisse in der Turnhalle und den Sanitärräumen waren die weiteren Gründe, für den Abriss der Turnhalle.

Die Turnhalle mit den Anbauten, links der Umkleide– und Sanitärbereich, rechts die verspachtel- ten Setzungsrisse im Inneren der Halle.

 

Ein Bild vom Abriss wird noch eingefügt, wenn es soweit ist.

 

Hans-Joachim Bosse

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